Bundesfinanzhof: Domain darf gepfändet werden, DENIC ist Drittschuldner - Verhältnismässigkeit zu beachten - VII R 27/15

26.08.2017 12:43:22, Jürgen Auer, keine Kommentare

Wenn das Finanzamt Forderungen an Sie hat und Sie diesen nicht nachkommen, Sie jedoch über eine werthaltige Internet-Domain verfügen: Darf das Finanzamt diese Domain pfänden? Und ist die DENIC, die Vergabe- und Verwaltungsstelle für .de-Domains, in einem solchen Verfahren Drittschuldner, damit erklärungspflichtig?

Zum Begriff des Drittschuldners: Wenn Sie angestellt sind und Steuerschulden haben, kann das Finanzamt Ihren Lohn pfänden. Ihr Arbeitgeber ist in so einem Fall erklärungspflichtiger Drittschuldner. Er muß einen Teil des Lohns direkt an das Finanzamt abführen und darf diesen nicht mehr an Sie auszahlen. Macht er das doch, haftet er gegebenenfalls und muß den Betrag nochmals ans Finanzamt zahlen.

Die Pfändbarkeit einer Domain ist seit langem unstrittig. Die DENIC hatte sich aber über Jahre hinweg geweigert, in so einem Verfahren die Pflichten eines Drittschuldners anzuerkennen.

Im nun vom Bundesfinanzamt behandelten Verfahren war die DENIC Klägerin gegen ein Finanzamt. Der Schuldner, dessen Domain Gegenstand der Pfändung war, war also gar nicht am Verfahren beteiligt.
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Pfändung einer Internet-Domain unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig

https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=34952&pos=3&anz=42

Die Leitsätze:

> 1. Die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber einer Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Haupt- und Nebenansprüche kann als ein anderes Vermögensrecht nach § 321 Abs. 1 AO Gegenstand einer Pfändung sein.
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> 2. Die Vergabestelle als Vertragspartner des mit dem Domaininhaber geschlossenen Domainvertrags ist Drittschuldner i.S. des § 309 Abs. 1 AO und damit nach § 316 AO erklärungspflichtig.
>
> 3. Bei der Pfändung der sich aus einem Domainvertrag ergebenden Ansprüche hat die Vollstreckungsbehörde insbesondere in Hinblick auf den Wert und die Verwertbarkeit dieser Ansprüche den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Technisch wurde das Urteil des FG Münster vom 16.09.2015 aufgehoben, weil einige Dinge noch zu klären sind.

Grundlagen: Die Aufgabe der DENIC:

> Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verwaltet und betreibt als Registrierungsstelle Internet-Domains und nimmt damit zusammenhängende Aufgaben, wie z.B. die Unterhaltung der Anlagen, die Beratung und Schulung der Mitglieder, die Betreuung und Information der Inhaber registrierter Domains und die Wahrnehmung der Interessen der gesamten deutschen Internetgemeinschaft, wahr. Wer eine Domain registrieren lassen will, kann sich direkt an die Klägerin oder an jeden Provider aus der Liste der Mitglieder der Klägerin wenden und bei diesem die Registrierung in Auftrag geben. Unabhängig von der Entscheidung für einen bestimmten Provider erfolgt die Domainregistrierung durch die Klägerin selbst. Daher besteht neben dem Vertragsverhältnis mit einem Provider in jedem Fall auch ein Vertragsverhältnis mit der Klägerin. Mit Abschluss des Registrierungsvertrags erhält der Anmelder einen Anspruch auf Registrierung nach Maßgabe der Domainbedingungen und der Domainrichtlinien der Klägerin. Dieser Anspruch ist gerichtet auf die Eintragung der Domain in das Register der Klägerin und die Nameserver. Daneben bestehen weitere Ansprüche des Domaininhabers wie z.B. Ansprüche auf Anpassung des Registers an veränderte persönliche Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der Internet-Protocol (IP) - Nummer.

Der konkrete Fall: Wie das Urteil am Ende ausführte, hatte das Finanzamt Forderungen in Höhe von 89.079,10 Euro gegenüber dem Schuldner.

> Aufgrund rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen des Vollstreckungsschuldners P., der einen Online-Shop mit Unterhaltungselektronik betreibt, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) eine Pfändungsverfügung gegenüber der Klägerin als Drittschuldnerin. Darin pfändete das FA den Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Aufrechterhaltung der Registrierung ... als Hauptanspruch aus dem mit der Klägerin geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2015, 2028). Das Finanzgericht (FG) urteilte, bei den Ansprüchen des Vollstreckungsschuldners, dem Inhaber einer Internet-Domain, aus dem Domainvertrag handele es sich um andere Vermögensrechte i.S. des § 321 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) und Vermögensrechte i.S. des § 857 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (Beschluss vom 5. Juli 2005 VII ZB 5/05, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 3353) sei der Gegenstand einer Pfän-dung in eine Internet-Domain nicht die Internet-Domain selbst, die lediglich eine technische Adresse im Internet darstelle, sondern die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustünden. Nach der Eintragung der Domain in das Register und den Nameserver schulde die Klägerin aufgrund des bestehenden Dauerschuldverhältnisses dem jeweiligen Anmelder die Aufrechterhaltung der Eintragung im Nameserver als Voraussetzung für den Fortbestand der Konnektierung. Daneben bestünden weitere Ansprüche, wie z.B. Ansprüche auf Anpassung des Registers an veränderte persönliche Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der IP-Nummer. Daraus ergebe sich zugleich, dass die Klägerin als Drittschuldner nach § 316 AO anzusehen sei, denn der weit auszulegende Drittschuldnerbegriff erfasse jeden, dessen Rechtsstellung von der Pfändung berührt werde.

Die DENIC argumentierte, daß sie kein Drittschuldner sei, ebenso gäbe es keine Verpflichtung zum Arrestatorium der Domain.

Der Bundesfinanzhof hat das "deutlich anders" gesehen.

> (RN 7) Das FG hat allerdings zu Recht entschieden, dass eine Internet-Domain als eine Gesamtheit schuldrechtlicher Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen, Gegenstand einer Pfändung i.S. des § 321 Abs. 1 AO sein kann und dass der Klägerin als Registrierungsstelle die Stellung eines Drittschuldners zukommt, der nach § 316 Abs. 1 AO erklärungs- und auskunftspflichtig ist.

und

> (RN 10) Zu Recht hat das FG die Klägerin als Drittschuldner und damit als nach § 316 Abs. 1 AO auskunftspflichtig angesehen.

Insbesondere beinhaltetet das, daß die DENIC sicherstellen muß, daß der Schuldner die Domain nicht einfach an jemanden anderen überträgt, so daß sie deshalb nicht mehr gepfändet und bsp. versteigert werden kann.

Unklar war allerdings die Frage der Verhältnismäßigkeit:

> (RN 20) Die Pfändung des Anspruchs auf Aufrechterhaltung der Registrierung ... als Hauptanspruch und aller weiteren sich aus dem Registrierungsvertrag ergebenden Nebenansprüche könnte sich jedoch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als rechtswidrig erweisen.

Es war nicht klar, ob angesichts der hohen Forderung von 89.079,10 Euro überhaupt ein wesentlicher Betrag aus dem Verkauf oder der Versteigerung der Domain zu erwarten gewesen wäre. Das Finanzamt hatte sich zum geschätzten Wert auch nicht wirklich geäußert.

> Ausweislich der streitgegenständlichen Pfändungsverfügung betrugen die vom Vollstreckungsschuldner geschuldeten Abgaben 89.079,10 EUR. Es ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die Verwertung der von der Klägerin registrierten Internet-Domain ... bzw. der sich aus dem Registrierungsvertrag ergebenden Haupt- und Nebenansprüche zu einer auch nur teilweisen Befriedigung der Forderungen des FA hätte führen können. Das FA hat den Wert bzw. die Verwertbarkeit der von ihm gepfändeten Ansprüche in seinem schriftsätzlichen Vorbringen nicht dargelegt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des FA diesbezüglich keine konkreten Angaben machen können. Da das FG keine Feststellungen zum Wert dieser Ansprüche getroffen hat, ist der erkennende Senat an einer Entscheidung gehindert, so dass die Sache an das FG zurückzuverweisen ist. Im zweiten Rechtsgang hat das FG solche Feststellungen nachzuholen und unter Beachtung der dargestellten Grundsätze darüber zu entscheiden, ob sich die Pfändung unter den besonderen Umständen des Streitfalls unter dem Gesichtspunkt des Verbots der nutzlosen Pfändung als unzulässig erweist.

Deshalb ging das zurück zum Finanzgericht Münster.

Etwas befremdlich finde ich diesen Abschnitt:

> (RN 4) Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2016 hat die Klägerin [die DENIC] bestätigt, dass die streitgegenständliche Domain nicht mehr registriert sei, weil sie inzwischen den mit dem bisherigen Domaininhaber bestehenden Domainvertrag aufgrund einer falschen Adresse fristlos gekündigt und die Domain am 17. März 2014 gelöscht habe. Inzwischen sei die Domain frei und seit dem 27. November 2014 unregistriert.

Eine Domain, die aktuell Gegenstand eines Rechtsstreits ist, nun einfach freizugeben, finde ich etwas merkwürdig.

Das Urteil von Münster: Finanzgericht Münster, 7 K 781/14 AO

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2015/7_K_781_14_AO_Urteil_20150916.html

Demnach wurde die Pfändungsverfügung gegenüber der DENIC am 15.05.2013 erlassen.

Die DENIC wurde in einem Fall 2011 sogar zu Schadenersatz verurteilt:

Durchbruch bei den Domainpfändungen - LG Frankfurt: Denic haftet bei Verlust der Domain

http://www.aufrecht.de/beitraege-unserer-anwaelte/it-recht-onlinerecht/domainpfaendung-denic-haftet-als-drittschuldnerin-auf-schadensersatz.html

Da hatte ein Kläger eine Domainpfändung erwirkt. Die DENIC hatte die Abgabe einer Drittschuldnererklärung verweigert, keine Sicherungen ergriffen und die Domain gelöscht. Ein Dritter registrierte diese. Die DENIC wurde zum Schadenersatz verurteilt.

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