Bundesfinanzhof: Rettung für alle mobilen Wiesnbrezn-Verkäufer auf dem Oktoberfest - Verkauf unterliegt nur 7 Prozent Mehrwertsteuer - V R 15/17
Rechtzeitig zum grade begonnenen Oktoberfest hat der Bundesfinanzhof eine Entscheidung vom 03.08.2017 veröffentlicht.
Demnach ist der Verkauf von Wiesnbrezn durch mobile Verkäufer als ein steuerbegünstigter Verkauf von Lebensmitteln zu betrachten. Folglich sind nur 7 Prozent Mehrwertsteuer abzuführen. Nicht 19 Prozent. Faktisch bleibt damit bei gleichem Preis mehr für den Verkäufer übrig.
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Wiesnbrezn auf dem Oktoberfest steuerbegünstigt: Urteil vom 3.8.2017, V R 15/17
https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=pm&Datum=2017&nr=34994&pos=0&anz=58
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Der Leitsatz:
> Verkauft ein Brezelverkäufer auf den Oktoberfest in Festzelten "Wiesnbrezn" an die Gäste des personenverschiedenen Festzeltbetreibers, ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für Lebensmittel anzuwenden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 3. August 2017 (V R 15/17) die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zurückgewiesen, die im Verkauf der Brezeln durch den Brezelverkäufer einen restaurantähnlichen Umsatz gesehen hatte, der dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen sollte.
Die Argumentation von Finanzamt und Finanzgericht war, daß die Klägerin, eine Brezelverkäuferin, die Infrastruktur des Zeltes inklusive Biertischgarnituren und Musik, ebenfalls nutzen würde. Demnach wäre das eine Art "erweiterte Unterhaltung" bzw. wie ein Restaurant einzuschätzen.
> Im Streitfall pachtete die Klägerin während des Oktoberfestes Verkaufsstände in mehreren Festzelten an. Die von ihr beschäftigten „Breznläufer“ gingen durch die Reihen des Festzelts und verkauften die Brezeln an die an Bierzelttischen sitzenden Gäste des Festzeltbetreibers. Das Finanzamt (FA) sah hierin umsatzsteuerrechtlich eine sog. sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliege. Es sei ein überwiegendes Dienstleistungselement gegeben, weil der Klägerin die von den Festzeltbetreibern bereitgestellte Infrastruktur, bestehend aus Zelt mit Biertischgarnituren und Musik, zuzurechnen sei. Das Finanzgericht bestätigte dies.
Der Bundesfinanzhof korrigierte diese Entscheidung:
> Demgegenüber hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf und gab der Klage statt. Danach führt der Verkauf der Brezeln umsatzsteuerrechtlich zu einer Lieferung der Backwaren, die ermäßigt zu besteuern ist.
Ok, da gäbe es zwar Tische und Bänke. Aber diese gehören dem Festzeltbetreiber, daran hat die Klägerin kein Mitbenutzungsrecht.
> Die in den Festzelten aufgestellten Biertischgarnituren, bestehend aus Tischen und Bänken, dienten den eigenen Gastronomieumsätzen des Festzeltbetreibers. Damit handelte es sich um für die Klägerin fremde Verzehrvorrichtungen, an denen der Klägerin kein eigenes Mitbenutzungsrecht zugestanden habe.
Auch könne sie über diese Gegenstände nicht verfügen.
> Sie habe keine Verfügungs oder Dispositionsmöglichkeit in dem Sinne erlangt, dass sie Besuchern Sitzplätze im Festzelt zuweisen konnte. Es sei nach der "Realität" im Bierzelt auch nicht davon auszugehen, dass Personen, die ausschließlich Brezeln von der Klägerin erwarben, zur Nutzung der Biertischgarnituren berechtigt gewesen wären, ohne zusätzliche Leistungen des Festzeltbetreibers in Anspruch nehmen zu müssen.
Schließlich gäbe es keine Besucher, die ausschließlich Wiesnbrezn verzehren und sich dafür an den Tischen niederlassen.
Damit wurde das Urteil des Finanzgerichts München vom 22. Februar 2017 3 K 2670/14 aufgehoben.
Das Urteil
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 3.8.2017, V R 15/17 - Wiesnbrezn auf dem Oktoberfest
https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=pm&Datum=2017&anz=58&pos=0&nr=35002&linked=urt
erwähnt, daß die Klägerin "hohe fünfstellige Beträge" gezahlt habe, um in den Festzelten verkaufen zu dürfen.
Die Pressemitteilung verweist darauf, daß das Urteil auch für die Folgejahre gilt.
> Das Urteil ist zu den Streitjahren 2012 und 2013 ergangen. Bei gleichbleibenden Verhältnissen ist die kurz vor Beginn des Oktoberfests 2017 veröffentlichte BFH-Entscheidung auch für die Folgejahre zu beachten.
Ergebnis ist also: Die Wiesnbrezn, welche die Festzeltbetreiber verkaufen (das gab es laut Urteil, RN 6), müßten mit 19 Prozent besteuert werden. Denn die Festzeltbetreiber bieten ja ein "Gesamterlebnis" aus Festzelt, Musik, Tischen, Bänken und dem Speisenverkauf, also eine Dienstleistung. Gibt es zusätzliche Breznläufer, die im Auftrag eines personenverschiedenen Unternehmers unterwegs sind, sind deren Wiesnbrezn Lieferungen. Da es sich um "einfache Lebensmittel" handelt, die der Kategorie
> "Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch; Backwaren"
zuzurechnen sind, sind das Lieferungen von Nahrungsmitteln, damit 7 Prozent Steuersatz.