Bundesgerichtshof: Sofortüberweisung ist als einzigste unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit nicht zumutbar, da es Kunden vertragswidriges Verhalten abverlangt - KZR 39/16
Wer online Artikel oder Dienstleistungen anbietet und zu diesen Zahlungsmöglichkeiten wie Rechnungskauf, Kreditkarte, PayPal und anderes anbietet: Der muß eine gängige und unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit anbieten.
Die Beklagte hatte auf ihrer Internetseite u.a. Flugreisen angeboten.
Die Bezahlung war mit Kreditkarte möglich. Mit einem Aufschlag von 12,90 Euro, also "durchaus happig". Alternativ war der Zahlungsdienstleister Sofortüberweisung als einzigste unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit angeboten.
Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV). Dieser betrachtete Sofortüberweisung als nicht gängige, jedenfalls unzumutbare Zahlungsmöglichkeit. Denn bei Sofortüberweisung sei es notwendig, PIN und TAN auf einer Website einzugeben, die nicht von der eigenen Bank dafür legitimiert sei. Damit haftet der Kunde für mögliche Schäden in vollem Umfang und würde wissentlich gegen die AGB seiner Bank verstoßen.
Das Landgericht Frankfurt hatte der Klage stattgegeben. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hatte das Bundeskartellamt mit Beschluß vom 29. Juni 2016 (B4-71/10) zwar festgestellt, daß die Beschlüsse der deutschen Kreditwirtschaft und der Bankenverbände hinsichtlich des Verbots, PIN und TAN außerhalb von explizit erlaubten Interneseiten einzugeben, rechtswidrig seien. Diese Regelungen (die von den allgemeinen Beschlüssen in die AGB der Banken übernommen wurden) würden gegen Kartellrecht verstoßen.
Die Berufung der Beklagten beim OLG Frankfurt führte zur Abweisung der Klage. Dagegen hatte der Kläger Revision eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat die OLG-Entscheidung verworfen und das LG-Urteil wiederhergestellt. Und fand dabei "deutliche Worte" zu Sofortüberweisung.
Das Urteil im Volltext (eingebundenes PDF):
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Urteil KZR 39/16 - 18.07.2017
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=79691&pos=0&anz=1
Der zweite Leitsatz ist deutlich:
> Ein Zahlungssystem, das einem erheblichen Teil der Kunden ein vertragswidriges Verhalten abverlangt, ist als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit im Sinne von § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB nicht zumutbar.
Es könne dahinstehen, ob Sofortüberweisung ein "gängiges Zahlungsmittel" sei. Als einzigste unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit sei Sofortüberweisung jedenfalls nicht zumutbar. Denn die meisten Kunden könnten Sofortüberweisung nur nutzen, falls sie gegen die mit ihrer Bank vereinbarten AGB verstoßen würden.
Die konkreten Haftungsrisiken seien für Kunden nicht überschaubar.
Daß die AGB-Regelung womöglich gegen Kartellrecht verstößt, darauf käme es - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - nicht an. Zum einen sei der Beschluß des Bundeskartellamts noch nicht bestandskräftig. Zum anderen: Solange die Banken die entsprechenden Klauseln nicht entfernt hätten, müßte ein rechtstreuer Kunde, der Sofortüberweisung nutzen wolle, selbst die Kartellrechtswidrigkeit prüfen und durchsetzen. Das sei keine vertragliche Nebenpflicht des Kunden.
Für diese Einschätzung sei es auch unerheblich, daß Sofortüberweisung seit 2005 mehr als 100 Millionen Transaktionen ausgeführt habe. Denn (Seite 12 des Urteils):
> Es steht den Kunden frei, den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH auf eigenes Risiko zu verwenden oder auf die Lektüre der Geschäftsbedingungen ihrer Bank zu verzichten.
Kunden können den Dienst also nutzen. Nur schließen die potentiell erheblichen rechtlichen Risiken einer Nutzung es aus, diesen Dienst als einzigste kostenlose Bezahlungsmöglichkeit anzubieten.
Händler können den Zahlungsdienst Sofortüberweisung also auch weiterhin anbieten.
> Ob die Kunden dann von der "Sofortüberweisung" Gebrauch machen, bleibt ihnen überlassen.
Händler dürfen den Dienst jedoch nicht als "einzigste kostenlose Zahlungsmöglichkeit" anbieten.
Wer das also bis jetzt gemacht hat: Der sollte seinen Online-Auftritt dringend überarbeiten.