Europäischer Gerichtshof: Uber ist nicht als Informationsdienstleister, sondern als Verkehrsdienstleistung einzuschätzen - Urteil mit weitreichenden Folgen - C-434/15
Beim Schlußantrag im Mai 2017 hatte sich das Ergebnis schon abgezeichnet. Nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden:
Die - durchaus umstrittene - Plattform Uber ist als Verkehrsdienstleistung einzuschätzen. Nicht - wie von Uber erhofft - als Informationsdienstleister. Folglich können die EU-Mitgliedsstaaten selbst Regelungen festsetzen. Vor allem ist es damit möglich, Uber wie ein Beförderungsunternehmen zu behandeln, so daß dieselben Regeln wie für Taxis gelten können.
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Die Pressemitteilung (PDF): Die von Uber erbrachte Dienstleistung der Herstellung einer Verbindung zu nicht berufsmäßigen Fahrern fällt unter die Verkehrsdienstleistungen
Die Mitgliedstaaten können daher die Bedingungen regeln, unter denen diese Dienstleistung erbracht wird
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-12/cp170136de.pdf
Das Urteil von heute:
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 56 AEUV – Art. 58 Abs. 1 AEUV –Verkehrsdienstleistungen – Richtlinie 2006/123/EG – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2000/31/EG – Richtlinie 98/34/EG – Dienste der Informationsgesellschaft – Vermittlungsdienst, der es mittels einer Smartphone-Applikation ermöglicht, gegen Entgelt eine Verbindung zwischen nicht berufsmäßigen Fahrern, die ihr eigenes Fahrzeug benutzen, und Personen herzustellen, die eine Fahrt im innerstädtischen Bereich unternehmen möchten – Genehmigungspflicht“
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=198047&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=514231
Bei Heise: EuGH: Uber rechtlich mit Taxi-Unternehmen gleichgestellt
https://www.heise.de/newsticker/meldung/EuGH-Uber-rechtlich-mit-Taxi-Unternehmen-gleichgestellt-3923959.html
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Die zentrale in dem Verfahren war: Ist Uber gemäß der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts als Informationsdienstleister einzuschätzen? Oder sind die Regeln anzuwenden, die für Beförderungsunternehmen gelten? Parteien waren ein Berufsverband der Taxifahrer in Barcelona und Uber.
> Zur Klärung der Frage, ob die Geschäftspraktiken von Uber Systems Spain und der mit ihr verbundenen Gesellschaften (im Folgenden zusammen: Uber) als unlauter eingestuft werden und gegen spanische Wettbewerbsvorschriften verstoßen können, hält der Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona) die Prüfung für erforderlich, ob Uber einer vorherigen behördlichen Genehmigung bedürfe. Dazu sei festzustellen, ob die Dienste dieser Gesellschaft als Verkehrsdienstleistungen, als Dienste der Informationsgesellschaft oder als eine Kombination beider Dienstleistungsarten anzusehen seien. Denn von dieser Einstufung hänge ab, ob Uber eine vorherige behördliche Genehmigung besitzen müsse. Insbesondere könnten die Geschäftspraktiken von Uber nicht als unlauter angesehen werden, wenn der fragliche Dienst unter die Richtlinie 2006/123 oder die Richtlinie 98/34 falle.
Ist Uber eine Informationsdienstleistung? Dann wäre keine behördliche Genehmigung notwendig.
Interessant ist, daß diverse Instanzen meinten, daß die Vorlagenfrage zu ungenau sei, der EuGH damit gar nicht zuständig sei.
> Die spanische, die griechische, die niederländische, die polnische und die finnische Regierung, die Europäische Kommission sowie die EFTA‑Überwachungsbehörde machen geltend, die Vorlageentscheidung sei sowohl hinsichtlich der im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Regelung als auch der Art der dort streitigen Tätigkeiten nicht hinreichend genau.
Das hat der EuGH zurückgewiesen und das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig erklärt.
Die inhaltliche Feststellung war nun deutlich: Uber macht deutlich mehr als nur zu vermitteln. Uber gibt ein Angebot für eine Beförderungsdienstleistung ab (RN 38):
> In einer Situation wie der vom vorlegenden Gericht genannten, in der die Personenbeförderung durch nicht berufsmäßige, das eigene Fahrzeug benutzende Fahrer vorgenommen wird, gibt der Erbringer dieses Vermittlungsdienstes nämlich gleichzeitig ein Angebot über innerstädtische Verkehrsdienstleistungen ab, das er u. a. durch Software-Tools wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Applikation zugänglich macht und dessen allgemeine Funktionalität für Personen, die dieses Angebot für eine innerstädtische Fahrt in Anspruch nehmen möchten, er organisiert.
Ferner legt Uber Bedingungen fest.
> Zudem übt Uber einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen aus, unter denen diese Fahrer die Leistung erbringen.
Dazu gehört u.a., daß Uber direkt das Geld von den Fahrgästen kassiert und einen Teil davon an die Fahrer weiterleitet. Höchstpreise werden festgesetzt und Fahrer unterliegen Bedingungen. Die Konsequenz:
> Dieser Vermittlungsdienst ist somit als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung besteht, anzusehen und daher nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34, auf den Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 verweist, sondern als „Verkehrsdienstleistung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 einzustufen.
Das Urteil halte ich nur für konsequent. Uber bietet nicht nur eine App, sondern will massiv - quasi offline - Regeln für die Fahrer festlegen. Damit geht das eben deutlich über einen Informationsdienstleister hinaus. Die Information ist nur ein kleiner Teil der eigentlichen Beförderungsdienstleistung.