The testament of a furniture dealer - das Testament von Ingvar Kamprad - Ikea-Gründer - neun Thesen für Gründer und Unternehmer
Am 27.01.2018 starb Ingvar Kamprad, der Ikea-Gründer. Über einen Querverweis fand sich ein Hinweis auf einen interessanten Text von ihm.
"The testament of a furniture dealer" - das Testament eines Möbelhändlers.
Ein neunseitiges PDF, in dem er einige Prinzipien formuliert. Bei denen man bald schon sagen könnte: Die spannend sind für Gründer ebenso wie für Unternehmer. Und bei denen es zumindest mir so geht, daß mir manche dieser Thesen lieber sind als das, was vielleicht eines jener hochgezüchteten Startups formulieren würde.
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Das Testament eines Möbelhändlers
http://www.ikea.com/ms/de_CH/pdf/reports-downloads/the-testament-of-a-furniture-dealer.pdf
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Die Stichworte zunächst kompakt:
> 1. Das Sortiment – unsere Identität
> 2. Der ΙΚΕΑ® Geist – eine starke und lebendige Realität
> 3. Gewinn gibt uns Mittel
> 4. Mit geringen Mitteln gute Ergebnisse erzielen
> 5. Einfachheit ist eine Tugend
> 6. Dinge anders tun
> 7. Kräfte sammeln – wichtig für unseren Erfolg
> 8. Verantwortung übernehmen – ein Privileg
> 9. Das meiste ist noch nicht getan. Wunderbare Zukunft!
Bei (1) spricht er von der Notwendigkeit, ein "Grundsortiment" zu haben. Das, was typisch für das Unternehmen sei. Das müsse ein eigenes Profil haben, das eigene Denken widerspiegeln.
> Es soll Form, Farbe und Freude ausdrücken und dem Geschmack junger Leute jeden Alters entsprechen.
Ein interessanter Satz: Angesprochen sind junge Leute jeden Alters, also auch junggebliebene Alte.
> Das Grundsortiment soll in Skandinavien für „typisch IKEA” stehen und außerhalb von Skandinavien für „typisch schwedisch”.
Keine Wegwerfartikel, aber auch keine übertrieben teuren Gegenstände.
> Die Freude des Kunden an seinem Kauf muss dauerhaft sein. Deshalb müssen unsere Produkte funktionell und von guter Qualität sein.
Viele Menschen verfügen über geringe finanzielle Mittel. Wenn diese als Kunden gewonnen werden sollen, darf der niedrige Preis nicht auf Kosten der Funktion gehen.
> In jedem Produktbereich muss es „atemberaubende” Angebote geben und unser Sortiment darf nie so weit anwachsen, dass das Preisbild gefährdet wird.
Zu (2): Der Zweck der Arbeit dürfe niemals nur Broterwerb sein.
> Ohne Enthusiasmus bei der Arbeit geht ein Drittel deines Lebens verloren und diesen Verlust kann auch die Illustrierte in der Schreibtischschublade nicht ersetzen.
Die Aufgabe der Führungskräfte: Sich um die Motivation und Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu kümmern.
Zu (3): Ein Satz, den sich so manch ein Startup zu Herzen nehmen sollte:
> Wir glauben nicht, dass uns gebratene Tauben in den Mund fliegen. Wir glauben an harte, engagierte Arbeit, die Ergebnisse bringt
Gewinn gibt Mittel. Aber er will sich auch bei der Beschaffung von Mitteln auf sich selbst verlassen.
> Wenn unsere Preise zu hoch sind, können wir das niedrige Preisbild nicht halten. Sind unsere Preise zu niedrig, erhalten wir keine Mittel. Ein wunderbares Problem! Denn es zwingt uns, Produkte ökonomischer zu entwickeln, besser einzukaufen und beharrlich an allen Kosten zu sparen. Das ist unser Geheimnis.
Zu (4): Ist der "hohe Preis" von Dingen gerechtfertigt? Stattdessen:
> Es ist kaum eine besondere Kunst gesetzte Ziele zu erreichen, wenn man nicht auf die Kosten achten muss. Jeder beliebige Designer kann einen Schreibtisch entwerfen, der 3.000 Mark kosten darf. Um aber einen funktionalen und guten Schreibtisch zu entwerfen, der 200 Mark kosten soll, muss man schon ganz schön gewitzt sein. Teure Lösungen für Probleme aller Art stammen meist von mittelmäßig begabten Menschen.
Die Ressourcenverschwendung sei eine der größten Krankheiten der Menschheit. Die Verschwendung im Kleinen:
> Papiere einordnen, die man sowieso nie mehr braucht. Zeit aufwenden, um zu beweisen, dass man doch Recht hatte. Die Lösung eines Problems bis zur nächsten Sitzung aufschieben, weil man die Verantwortung jetzt im Moment nicht übernehmen will. Telefonieren, wenn man ebenso gut einen Zettel oder eine E-Mail schreiben könnte.
Zu (5): Ein Staat und ein Unternehmen braucht Regeln. Aber wenn diese zu kompliziert sind, lähmen sie. Das ist der Nährboden für Bürokratie. Unentschlossenheit produziert Statistiken, zu weiteren Untersuchungen, zu weiteren Sitzungen. Ein fettgedruckter Satz:
> Vergiss dabei jedoch nicht, dass übertriebene Planung die häufigste Todesursache von Unternehmen ist.
Das erinnert an jene Formulierung, die neulich hier auftauchte. Unternehmen werden nicht von Konkurrenten ermordet. Sie begehen Selbstmord.
Weiter:
> Übertriebene Planung unterdrückt deine Handlungsfreiheit und verkürzt die Zeit, die dir zur Durchführung bleibt.
1000 Stunden Planung für eine Stunde Handeln. Statt umgekehrt. Deshalb Einfachheit. Keine Luxushotels, Autos, hochgestochene Titel, maßgeschneiderte Arbeitskleidung.
Zu (6): Dinge nicht deshalb so machen, weil man sie immer schon so gemacht habe. Hätte er am Anfang Experten gefragt, dann hätten die sicher davon abgeraten, Ikea in Älmhult zu gründen.
> "Warum" bleibt ein wichtiges Schlüsselwort.
Zu (7): Man kann nicht alles gleichzeitig gut tun, die Kräfte müssen konzentriert werden. Das Sortiment darf nicht zu umfangreich werden. Es kann nicht als Ganzes beworben werden.
Zu (8): Wenige Menschen übernehmen Verantwortung. Je weniger es davon gibt, umso mehr Bürokratie gibt es. Endlose Sitzungen und Gruppendiskussionen sind die Folge.
> Nur wer schläft, macht keine Fehler. Fehler zu machen, ist das Privileg des Tatkräftigen, der fähig ist, Fehler zu korrigieren.
Fehler als Privileg der Tatkräftigen!
> Die Angst vor Fehlern ist die Wiege der Bürokratie und der Feind jeder Entwicklung.
Entscheidungen sind nicht richtig oder falsch. Die Tatkraft hinter der Entscheidung entscheidet über die Richtigkeit.
> Es ist immer der Mittelmäßige, der negativ ist; der Zeit darauf verwendet, zu beweisen, dass er keinen Fehler gemacht hat. Der Starke ist immer positiv und blickt nach vorne.
Die positiven Menschen gewinnen. Nur heißt das nicht, daß andere verlieren. Und was ist, wenn ein Produkt kopiert wird?
> Wenn jemand eines unserer Produkte kopiert, vermeiden wir einen Rechtstreit – denn ein Rechtstreit ist immer negativ.
Stattdessen lieber ein noch besseres Produkt entwickeln.
Zu (9): Unternehmen und Menschen stehen immer wieder neu "am Anfang":
> Glück liegt nicht darin, sein Ziel erreicht zu haben – Glück ist, auf dem Weg zu sein.
"Erfahrung" ist ein Bremsklotz für Weiterentwicklungen.
> „Erfahrung” ist für viele Menschen die Entschuldigung dafür, nichts Neues auszuprobieren.
Und Zeit ist die wichtigste Ressource:
> Denk daran, dass Zeit deine wichtigste Ressource ist. Du kannst so viel in zehn Minuten erreichen. Vergeudete zehn Minuten sind endgültig verloren. Du bekommst sie nie zurück.
Der Schlußsatz:
> Das meiste ist noch nicht getan. Lasst uns eine Gruppe von positiven Enthusiasten bleiben, die sich mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit weigern, das Unmögliche, das Negative zu akzeptieren. Was wir wollen, das können wir, und wir werden es gemeinsam tun. Wunderbare Zukunft.
Bei so manch einem Startup hat man eben nicht den Eindruck, daß es darum geht, langfristig ein gesundes und stabiles Unternehmen aufzubauen. Sondern daß es nur darum geht, möglichst schnell etwas hochzuziehen, aufzublasen und es für möglichst viel Geld zu verkaufen / abzustoßen. So daß man selbst nichts mehr damit zu tun hat.
Eigenkapitalfinanzierte Gründungen, die einigermaßen schnell in die schwarzen Zahlen kommen und von da an organisch wachsen. Die sind da in einer ganz anderen Situation.
Wenn man das mit jenen Managern vergleicht, die zuallererst an ihren eigenen Bonis interessiert sind oder die ein Unternehmen gar in die Insolvenz treiben. Man kann Ikea nur wünschen, daß es den Verantwortlichen gelingt, solche Manager fernzuhalten.
Der Text stammt aus dem Jahr 1976. Aber wenn man das so liest, dann hat man den Eindruck, daß der Text nichts von seiner Aktualität verloren hat.