Bundesfinanzhof zur Verlustberücksichtigung bei Aktienveräusserung - Aktienbesitzer können frei entscheiden, wann sie Aktien veräussern - Gegenposition zur Auffassung Finanzverwaltung - VIII R 32/16
Wer Aktien kauft und sie irgendwann einmal wieder verkauft, der kann einen Gewinn oder einen Verlust machen. Aber: Wenn der Gewinn zu versteuern ist: Läßt sich dann auch der Verlust steuerlich berücksichtigen?
Der Bundesfinanzhof hat einen solchen Fall behandelt. Und festgestellt: Auch ein Totalverlust kann als Verlust in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Das Urteil steht damit im Gegensatz zu einer bisherigen Position der Finanzverwaltungen.
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Verlustberücksichtigung bei Aktienveräußerung - Urteil vom 12.6.2018, VIII R 32/16
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Der Hauptsatz:
> Die steuerliche Berücksichtigung eines Verlusts aus der Veräußerung von Aktien hängt nicht von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten ab. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 2018 VIII R 32/16 gilt dies unabhängig von der Höhe der Gegenleistung und der anfallenden Veräußerungskosten. Damit wendet sich der BFH gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Januar 2016 IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85).
Der Kläger hatte 2009 und 2010 Aktien zu einem Preis von 5.759,78 Euro erworben. Da gab es einen Totalverlust, er verkaufte die Aktien 2013 für 14 Euro an eine Sparkasse, diese behielt Transaktionskosten in Höhe von 14 Euro ein. In der Einkommensteuererklärung für 2013 machte der Kläger den Verlust von 5.759,78 Euro bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend und stellte u.a. einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts. Das Finanzamt berücksichtigte die Verluste nicht, ebenso wurde der Einspruch zurückgewiesen. Der Klage gab das Finanzgericht statt.
Der Bundesfinanzhof schloß sich dieser Auffassung an. Grund: Jede entgeltliche Übertragung des Eigentums auf einen Dritten sei eine Veräußerung im Sinne des Gesetzes. Und weiter:
> Weitere Tatbestandsmerkmale nennt das Gesetz nicht. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung ist entgegen der Sichtweise der Finanzverwaltung weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig.
Ferner liegt kein Mißbrauch vor, sondern lediglich die Nutzung einer steuerlichen Gestaltungsmöglichkeit:
> Auch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 der Abgabenordnung verneinte der BFH. Der Kläger hat nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Es steht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, ob, wann und mit welchem erzielbaren Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert.
Das Urteil
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.6.2018, VIII R 32/16 - ECLI:DE:BFH:2018:U.120618.VIIIR32.16.0 - Verlust aus der Veräußerung von Aktien
nennt Details (RN 5): Den Einspruch des Klägers gegen den Bescheid hatte das Finanzamt mit einer Begründung versehen:
> Den Einspruch des Klägers wies das FA mit der Begründung, es liege keine Veräußerung vor, weil der Veräußerungspreis die Transaktionskosten nicht übersteige (BMF-Schreiben in BStBl I 2012, 953), als unbegründet zurück.
An dieser Stelle wirkte sich also das Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus. Demnach würde ein Totalverlust, bei dem beim Verkauf praktisch nichts mehr erwirtschaftet werden kann, immer mit einer steuerlichen Nichtberücksichtigung einhergehen.
Gegen das entsprechende Urteil des Finanzgerichts legte das Finanzamt Revision ein. Das Bundesfinanzministerium trat dem Revisionsverfahren bei. Mit der Begründung, es handele sich um einen Mißbrauch (RN 6):
> Sie tragen im Wesentlichen vor, es liege ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO) vor. Für den Kläger habe der einzige Zweck beim Aktienverkauf gegen einen nur symbolischen, nicht dem realen Wert entsprechenden Kaufpreis darin bestanden, in den Genuss einer Steuerminderung zu kommen. Faktisch hätten die Vertragsparteien einen Veräußerungspreis von 0 EUR vereinbart. Dieses wirtschaftliche Ergebnis habe der Kläger auch erzielen können, wenn er die Aktien in seinem Depot belassen hätte. Die Papiere wären dann wegen ihrer Wertlosigkeit aus seinem Depot schlicht ausgebucht worden. Die Ausbuchung stelle aber weder eine Veräußerung i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG dar noch liege einer der Ersatztatbestände des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vor; jedenfalls wäre der Verlust in diesem Fall nicht bereits im Streitjahr angefallen.
Die Begründung lautet also: Der Kläger hätte die Papiere auch im Depot lassen können, dann wäre es keine Veräußerung gewesen. Daß er sie dennoch verkauft habe, sei ein Mißbrauch.
Das wischte der Bundesfinanzhof beiseite. Eine Veräußerung sei eine entgeltliche Übertragung eines wirtschaftlichen Eigentums auf einen Dritten. Von einer entgeltlichen Übertragung sei auch dann die Rede, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung oder nur für einen symbolischen Kaufpreis übertragen werden.
Da das Gesetz (RN 14) keine weiteren Kriterien aufstellt, handelt es sich um eine Veräußerung. Diese ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe anfallender Veräußerungskosten abhängig.
Ein Mißbrauch liegt auch aus anderen Gründen nicht vor. Es sei das Recht von Steuerpflichtigen, ihre Verhältnisse so zu gestalten, daß keine oder möglichst geringe Steuern anfallen. Der Kläger wollte sich von den praktisch wertlosen Aktien trennen. Das sieht das Gesetz ausdrücklich vor, das geht nur durch eine Veräußerung. Wann er das macht, ist seine Entscheidung.