Housing First - in Finnland hat jeder Obdachlose Anspruch auf eine eigene Wohnung ohne Vorbedingungen
Finland Solves Its Homelessness Problem by Providing Apartments for Anyone Who Needs One
mymodernmet.comHomelessness is a problem all over the world, but Finland is leading the way with an initiative that could provide a long-term solution.
Wie geht ein Staat mit dem Thema Obdachlosigkeit um? Hier in Berlin gab es erst kürzlich den Versuch, Obdachlose zu zählen. Mit dem Ergebnis, daß "nur" 1976 Obdachlose angetroffen wurden. Schätzungen davor waren von 6000 - 10.000 ausgegangen. Die eigentliche Straßenzählung ergab lediglich 807 Obdachlose. 942 waren bei der Kältehilfe. Die verbleibenden 227 verteilten sich auf den öffentlichen Nahverkehr (158) und Personen, die bei der Polizei, in Rettungsstellen oder im Wärmeraum in der Gitschiner Straße angetroffen wurden.
Von den 807 ließen sich 288 zu ihrer Situation befragen. Von diesen waren lediglich 39 % deutsch, 49 % stammten aus der EU, 11 % aus Drittländern. Wobei viele von diesen keinen Anspruch auf Leistungen haben. Ferner wurde die "verdeckte Wohnungslosigkeit" (Übernachtungen bei Bekannten) nicht erfasst.
Finnland hat seit 2008 ein deutlich anderes Modell entwickelt. Es ist das Konzept des "Housing-First".
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Finland Solves Its Homelessness by Providing Apartments for Anyone Who Needs One
https://mymodernmet.com/housing-first-finland-homelessness/
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> The concept is simple: everyone is entitled to a small apartment, even those with mental health and financial issues. Since then, the number of homeless people has fallen drastically, and continues to decline.
Das Konzept ist simpel: Jeder hat Anspruch auf eine kleine Wohnung. Auch jene Personen mit psychischen oder finanziellen Problemen. Seither ist die Zahl der obdachlosen Personen drastisch gesunken und nimmt weiter ab.
Wie die meisten anderen Staaten bot Finnland davor Kurzzeitunterkünfte für Obdachlose an. Um - analog zu anderen Staaten - feststellen zu müssen, daß diese schnelle Lösung nicht half, damit Leute dauerhaft aus der Obdachlosigkeit herauskamen.
Erschwingliche Anbieter von Mietwohnungen begannen mit der Renovierung alter Wohnungen. Und es wurden sogar ehemalige Notunterkünfte in Langzeitwohnungen umgewandelt.
Juha Kaakinen, CEO der Y-Foundation, die solche Umwandlungen durchführte:
> “It was clear to everyone that the old system wasn’t working; we needed radical change,”
Es war jedermann klar, daß das alte System nicht funktionierte. Wir benötigten einen radikalen Wandel.
> “We had to get rid of the night shelters and short-term hostels we still had back then. They had a very long history in Finland, and everyone could see they were not getting people out of homelessness. We decided to reverse the assumptions.”
Wir mußten die Nachtunterkünfte und die kurzfristigen Herbergen loswerden, die wir bis dahin noch hatten. Sie hatten eine lange Tradition in Finnland. Aber jeder konnte sehen, daß sie die Menschen nicht aus der Obdachlosigkeit herausholten. Wir hatten beschlossen, die Annahmen umzukehren.
In den letzten zehn Jahren wurden so 4.600 Wohnungen geschaffen. Finnland hat laut Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Finnland ) etwa 5,5 Millionen Einwohner. Ist also etwas größer als Berlin (derzeit etwa 3,7 Millionen). Finnland ist das einzigste Land, in dem die Obdachlosigkeit rückläufig ist. Ferner gibt es Sozialarbeiter für die Beratung und Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen. Die zusätzliche Unterstützung hilft Menschen, einen Job zu finden und finanziell unabhängig zu werden.
Unter
Housing first
https://ysaatio.fi/en/housing-first-finland
gibt es eine interessante Grafik, die das Absinken der Zahlen zeigt. 1987 waren noch etwa 18.000 obdachlos. Davon wohnten etwa 8000 temporär bei Bekannten. Das ging teils auf knapp über 4000 runter, 2016 waren das knapp 6000.
Aber über 4000 waren in Institutionen temporär untergebracht, weitere etwa 4000 übernachteten draußen, in Notunterkünften und ähnlichen Kurzzeiteinrichtungen, insgesamt 10.000 prekär. Deren Gesamtzahl ging 2016 auf unter 1000 zurück. Vergleicht man die Zahlen 2008 und 2016, dann ging das von etwa 4000 prekär auf unter 1000 prekär runter.
Dort wird "Housing first" auch als zentrales Prinzip bzw. Betriebsmodell beschrieben. Davor waren bsp. rauschgiftsüchtige Obdachlose von bestimmten Lösungen ausgeschlossen, was zwangsläufig zu einer langfristigen Obdachlosigkeit führt. Stattdessen ist im Housing-First - Modell die Wohnung keine Belohnung für jemanden, der sein Leben in Ordnung gebracht hat. Sondern sie ist das Fundament, auf dem der Rest des Lebens wieder zusammengesetzt werden kann. Das ist eher möglich, wenn dieses "Dach über dem Kopf" sicher ist.
Daten zur Obdachlosenzählung in Berlin:
Ergebnis der Obdachlosenzählung in Berlin: Warum die Zahl so weit unter den Schätzungen liegt
Ähnliche "blockierende Regelungen" gibt es in Berlin. So muß für die Nutzung von Notunterkünften auf Alkohol verzichtet werden. Ferner sind die Angebote nach Geschlechtern getrennt. Ein Ergebnis der Obdachlosenzählung war, daß mehr obdachlose Paare als erwartet aufgefunden wurden. Diese bleiben lieber gemeinsam draußen anstatt getrennt Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Wenn man sich über die Konsequenzen des Modells Gedanken macht, müßte man das eigentlich sofort übernehmen bzw. vorhandene Angebote entsprechend umbauen.